Sound it Out

Vinyl? Schallplatten? Nadeln, die Ton abnehmen, Menschen, die schwarze Scheiben in Hüllen zurückschieben? Ja, das ist etwas Sinnliches. In Großbritannien mussten in den Sound it Outletzten fünf Jahren über 500 Plattenläden schließen. Der letzte seiner Art im Nordosten des Landes ist „Sound it Out Records“ in Stockton, und Tom ist der Herrscher über Tausende Scheiben, Titel, Ausgaben, Bandnamen und ein Zettelchaos in seinem kleinen Büro.

Seine Kunden sind Verrückte und zu 99% Männer, wie er erzählt. Tom kennt sie, fast alle sind Stammkunden, er hebt Platten für sie auf oder schickt SMS, wenn etwas Neues angekommen ist. Der Film von Jeanie Finlay porträtiert eine Reihe dieser Spezies Schallplattensammler: Shane, der findet, er sei nicht verrückt, aber eine Sucht sei es schon. Zwei Jungs, die ohne die Musik vielleicht nicht mehr am Leben wären, andere würden weiterhin auf der Straße rumhängen und „Scheiße bauen“.

Tom selbst findet „Records hold memories“, er liebt Musik natürlich leidenschaftlich und interessiert sich für alle Richtungen und Stile – auch wenn er manche unverhohlen grässlich findet. Er redet mit allen seinen Kunden und will ihre Meinung hören. Die wiederum wissen, dass sie ihm nur etwas vorsummen müssen, und er greift ins Regal nach der richtigen Scheibe.

Man stellt sich die Frage, ob das wirklich ein Film aus dem Jahre 2011 ist – was ist denn mit dem Internet? Da der Versand mitzubezahlen ist, ist es den meisten Kunden zu teuer, nur bestimmte Sachen werden manchmal online bestellt. Bei Tom im Laden ist es außerdem viel persönlicher und lustiger.

Ergreifend ist eine Szene mit der Sängerin Saint Saviour, sie stammt aus Stockton, floh nach London und spielt nun ein kleines Konzert im Plattenladen mit persönlichen Texten zu ihrer eigenen Schüchternheit und Angst. Überhaupt kommt die meiste Filmmusik von Bands aus dem Nordosten Großbritanniens. Dass „Sound it Out“ zustande kam, wo doch teure Musikrechte schon so manche Produktion verhindert haben, ist übrigens 270 Menschen zu verdanken, die per Crowdfunding die Finanzierung retteten.

Der Film mag nicht immer das perfekt gestaltete Bild zeigen und manche Schnitte nerven. Aber als Musik- und Porträtfilm ist er eine kleine Perle, die sich mit viel Enthusiasmus allen Ecken in dem kleinen, vollgestopften Laden widmet und dazu eine Riege an Stammkunden zeigt, die alle so liebenswert und schräg sind, dass es eine Freude ist.

[erschienen im gedruckten Kinokalender 05/2012 und hier]